
Interview mit Bonum, November 2020
Wie können Stiftungen Storytelling und narrative Methoden nutzen, um sichtbar zu werden und ihre Zukunft sinnvoll zu erzählen? Im Interview erklärt Patrick Kappeler, Gründungsmitglied der Storyteller Academy, wie das geht.
Patrick Kappeler, was verstehen Sie unter Storytelling?
Im Prinzip bedeutet Storytelling nichts anderes, als nackte Zahlen und Daten so zu verpacken, dass Menschen sie sofort verstehen. Geschichten aktivieren unglaublich viele Gehirnregionen gleichzeitig und bleiben deshalb lange in unserem Gedächtnis haften. Und Geschichten werden sofort von unserem Unterbewusstsein verstanden, dem Teil unseres Gehirns, der tagtäglich 95 Prozent aller Entscheidungen trifft.
Warum ist es wichtig, die Zukunft vorherzusagen?
Um es etwas überspitzt auszudrücken: Wer seine eigene Zukunft nicht erzählt, hat keine. Denn eine Zukunftserzählung ist nichts anderes als eine Wette auf die Zukunft. Wer keine überzeugende Geschichte zu bieten hat, wird sich von einem abwenden. Sinnvolle Geschichten, sogenannte Narrative, sind solche Wetten auf die Zukunft. Sie organisieren, wie Gemeinschaften fühlen, denken und handeln, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Kraftvolle Geschichten berühren und verändern Menschen. So kann man Storytelling für soziale Wirkung nutzen.
Tun Zahlen, Fakten und Zahlen nicht dasselbe?
Nein. Schauen Sie sich die Klimadebatte an. Wir alle kennen die beunruhigenden Projektionen. Doch trotz aller Vernunft und Logik scheinen wir nicht in der Lage zu sein, rechtzeitig gegenzusteuern. Die Hirnforschung hat gezeigt: Der Mensch ist keine denkende Maschine, die fühlt, sondern eine fühlende Maschine, die denkt. Nicht den Verstand müssen wir überzeugen, sondern das Gefühl. Genau das tun Narrative. Sie flirten ungehemmt mit unserer Affektlogik und gewinnen uns für selbst die schwierigsten Aufgaben und Mühen.
„Der Mensch ist keine denkende Maschine, die fühlt, sondern eine fühlende Maschine, die denkt.“
Viele Wetten auf die Zukunft sehen derzeit eher düster aus.
Stimmt. Große Ordnungsstrukturen und Leiternarrative, darunter auch das ökonomische Wachstumsnarrativ, erodieren und verlieren für viele ihre Bedeutungsmacht. Wir bewegen uns in ein Vakuum. Neue Visionen für ein erfolgreiches Zusammenleben entstehen gerade erst. Hier sehe ich eine Chance für Stiftungen, sich noch stärker in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Entscheidend wird sein, andere ins Gespräch zu holen.
Warum ist das wichtig?
Eine attraktive Vision nützt nichts, wenn niemand sie teilen möchte. Erst wenn Mitarbeiter und Kunden am Storytelling-Prozess beteiligt sind, können Organisationen ihr volles Potenzial ausschöpfen. Dann werden Kräfte freigesetzt, die Großes bewirken können. Dann geschehen Wunder.
Und was bringt das Geschichtenerzählen?
Sichtbarkeit, Engagement, Bewegung. Storytelling ist eine Technik, um Informationen und Erlebnisse so zu strukturieren, dass unser Gehirn sie auch auf der emotionalen Ebene glasklar versteht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie auf Ihrer Website behaupten, Nachhaltigkeit zu fördern, bleiben Sie in einer nichtssagenden Abstraktion. Klüger wäre es, von diesem Wert die Geschichte der jungen Weinbäuerin Eva zu erzählen: Eva hat mit Ihrer Hilfe und gegen den Widerstand ihrer Eltern die Produktion komplett auf Bio umgestellt und verkauft heute einen der besten Weine der Region. Es ist die konkrete Erzählung, die das Abstrakte verständlich, relevant und spannend macht. Storytelling ist eine Grundvoraussetzung, um in einer immer komplexer werdenden Welt sichtbar zu bleiben, Vertrauen aufzubauen, erfolgreicher Spenden zu sammeln und gemeinsam mit anderen die Zukunft sinnvoll zu erzählen.
Wie könnte eine bedeutungsvolle Zukunftserzählung aussehen und wie kann Storytelling für gesellschaftliche Wirkung genutzt werden?
Ich beobachte, dass sich immer mehr Menschen nach einem zarten Zusammensein, nach Verbundenheit, nach Verantwortung und nach bedeutungsvollem Leben sehnen. Diese Bedürfnisse sind kraftvolle Quellen, aus denen wir inspirierende Zukunftserzählungen für uns und die Gemeinschaft schöpfen und diese mit Herz und Verstand an andere weitergeben.
Neugierig, wie Sie die Macht des Storytellings für Ihr Unternehmen nutzen können? Ich freue mich auf den Kontakt. Kontakt: p.castellani@imotions.ch
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